Projektinformation
Die Förderung von Leuchtturmprojekten auf Quartiersebene stand im Mittelpunkt der ressortübergreifenden Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ im Rahmen des 6. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung. Dabei dienten einzelne Stadtquartiere als Reallabore, in denen unter Einbeziehung aller relevanten Akteure innovative Konzepte zur Energie- und Wärmewende gleichzeitig erforscht und umgesetzt wurden.
Die Städte Stuttgart und Überlingen gingen mit dem Projekt „STADTQUARTIER 2050“ bereits 2020 gemeinsam das Ziel einer nahezu klimaneutralen Energieversorgung bis zum Jahr 2050 an - unter dem besonderen Aspekt der sozialverträglichen Mietpreisentwicklung. Damit arbeiteten im Projekt zwei Kommunen zusammen, die sich dem auf Bundesebene beschlossenen Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verpflichtet sehen: Die Stadt Überlingen hat 2018 beschlossen, seine Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 – 95 % zu senken; die Landeshauptstadt Stuttgart hat sich durch den Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats vom 20. Dezember 2019 zur Umsetzung des Aktionsprogramms „Weltklima in Not – Stuttgart handelt“ verpflichtet. Das Ziel lautete dabei, die bestehenden Aktivitäten im Klimaschutz nochmals zu steigern um bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein.
Im Rahmen der beiden Projektquartiere entstanden bzw. entstehen insgesamt über 960 Wohneinheiten mit einer Gesamtinvestitionssumme von rund 190 Mio. Euro. Im Einzelnen handelt es sich um eine Konversion eines ehemaligen Krankenhausareals mit Sanierung, Teilabriss und Neubebauung in Stuttgart und eine Randgebietssanierung mit Baufelderweiterung in Überlingen. Da in beiden Städten ähnliche Aufgaben im Bereich von unterschiedlichen Quartieren anstehen, ermöglichte der systematische Projektansatz eine Übertragung und Nutzung der Ergebnisse und Erfahrungen aus den Demonstrationsquartieren nicht nur innerhalb der jeweiligen Stadt, sondern auch auf andere Kommunen über eine Städteplattform. Die technologischen und sozialwissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkte sowie die geplanten Tools unterstützten diesen Ansatz.
Beide Demonstrationsquartiere hatten das Ziel - bezogen auf Wärme und Strom, inklusive dem Nutzerstrom - klimaneutrale Quartiersimmobilien zu konzipieren, zu planen und umzusetzen. Als Bewertungsgröße diente die äquivalente CO2-Emission in der Jahresbilanz. Eine Einbeziehung der grauen Energie wurde innerhalb der Ökobilanzierung durchgeführt. Dabei mussten in den Quartieren unterschiedliche Randbedingungen, wie z. B. eine unterschiedliche Eigentümerstruktur mit teilweise hohem Sozialwohnungsanteil und vorhandenen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) berücksichtigt werden. Beide Städte standen vor der Herausforderung, möglichst schnell Wohnraum für sozial schwache Bevölkerungsgruppen zu schaffen bzw. den Engpass im Bereich bezahlbarer Mietwohnraum zu verringern. Gleichzeitig war dem Ziel einer energetisch hochwertigen Sanierung gerecht zu werden. Das bedeutet, dass jeweils integrierte, generationenübergreifende, sozial durchmischte und ökologische Wohnquartiere mit einem klimaneutralen Gebäudebestand entstehen sollten.
Die technischen Infrastruktur-Lösungsansätze beinhalteten Nahwärme sowie die Nutzung von lokalen erneuerbaren Energien - sowohl wärme- als auch stromseitig - durch Solarthermie, PV bzw PV-T auf Dächern und Fassaden, Geothermie und Biomasse. Durch thermische und elektrische Speicherregime, die dezentral zum Einsatz kamen und Einbindung von E-Mobilitätsaspekten fanden Sektorenkopplungen statt, wurde der Eigennutzungsanteil erhöht und somit das lokale und das überregionale Netz entlastet.
Baulich wurde in den Quartieren für die Sanierungen ein KfW-Effizienzhaus 55-Niveau angestrebt und für die Neubauten ein KfW-Effizienzhaus 40 Plus-Niveau. Während im Überlinger Projekt das Hauptaugenmerk auf Low-Tech-Lösungen und dafür einem höherwertigen Wärmeschutz lag- nicht zuletzt durch den Einsatz eines neuen ressourcenschonenden und recyclingfähigen Hochleistungsdämmstoffs eines Industriepartners - strebte Stuttgart einen stärkeren Fokus auf eine hocheffiziente Energieversorgung an. Durch das gemeinsame Projekt kann bewertet werden, welcher Ansatz in Bezug auf die Kosten, den Energiebedarf und die Ökobilanz vorteilhaft ist. Die Technologien wurden auch in Bezug auf die Resilienz und die Nutzerfreundlichkeit bewertet. Reboundeffekte wurden unter anderem durch Nutzerinformationen zum Energieverbrauch, Handlungsempfehlungen und einem Bonussystem für einen niedrigen Verbrauch in Verbindung mit einer Quartiers-App vermieden.
Die sozialwissenschaftlichen Arbeiten konzentrierten sich auf den Abstimmungsprozess mit der Denkmalschutzbehörde, die Motivation der WEGs zur Teilnahme an der Quartierssanierung, die Entwicklung eines auf die Nutzer abgestimmten Bonussystems für einen bewussten Energieverbrauch und das Thema sozialverträgliche und warmmietenneutrale Sanierung.
Ferner wurden folgende technologisch-wissenschaftlichen Fragestellungen bearbeitet: Genauere Strom- und Wärmebedarfsdaten von Wohnquartieren dienten als Eingangskennwerte für die Berechnung optimierter Quartiersnetze. Auch das Tool „GridOptimizer“ sowie Lösungsansätze für die Treibhausgas-Neutralität von Quartieren, ebenso wie deren wirtschaftliche und ökobilanzielle Bewertung wurden in diesem Zusammenhang betrachtet.
Aus den Arbeiten entstanden insgesamt vier an den Aufgaben orientierte Tools, die in den Quartieren eine Testanwendung erfuhren und genauso wie die wissenschaftlichen Ergebnisse auf andere Quartiere übertragbar sind.